Festpredigt für den hohen Christtag (Weihnachten, 25. 12.1994)

Themen: Wer ist Jesus Christus? Über den wahren Gottmenschen und die (historische) Einzigartigkeit unserer Erlösung (nach Leo Kardinal Scheffczyk).

Zu allen Predigten / Zur internationalen Startseite / Zur deutschen Startseite / E-Mail / Formularnachricht
(Padre Alex)


Liebe Andächtige in Christus, dem endgültigen Wort Gottes!

Aufs tiefste ist der göttlichen Vorsehung zu danken, daß sie dafür Sorge getragen hat, den Eintritt des Erlösers in die Menschheit mit allen Namen und Daten genau zu beurkunden. So sind diese Daten auch eine Stütze des Glaubens. Das Evangelium ist ja auch Geschichtsquelle, im Ganzen aber viel mehr als das. Denn was ist eigentlich Inhalt des mit Recht gefeierten hohen Weihnachtsfestes? Wer wurde denn im Verborgenen geboren? Dürfen wir mit sogenannten Jesus-Begeisterten der letzten 20 Jahre sagen, hier wurde "das höchste Modell der Freiheit" geboren, "ein Beispiel für kompromißlose Tapferkeit", "ein schlechthin guter Bruder", "der totale Armenfreund", "der größte Mensch"? Diese modernen Alles-und-Nichts-Aussagen haben wohl einen Haken: Sie sind allein auf den Bedürfnissen und Sehnsüchten unserer Zeitgenossen gewachsen, ohne Hinhören auf die volle Offenbarung Gottes.

Wir haben es längst erkannt: Mit Jesus kommt man nicht ins reine, wenn man ihn als einen bloßen Menschen betrachtet. Wir wollen den wahren und ganzen Jesus Christus unseres heiligen Glaubens erreichen und nicht irgendein naiv erdachtes Jesusbild.

Jesus Christus war zunächst mehr als alle Propheten. Er erklärte das Gesetz in seinem Kommen und seiner Person erfüllt. Er tritt mit einer noch nie begegneten Autorität auf, ablesbar an seinen Worten und Taten. In Jesus Christus ist die Herrschaft Gottes unter den Menschen angebrochen: Heilungen, Dämonenaustreibungen, Wunder. Die höchste Wirkung ging aber von seiner Gestalt selbst aus: Daß Jesus sich mit den Ärmsten solidarisiert hat, ist ja nur eine Seite seines Verhältnisses zu den Menschen. Auf der anderen Seite durchschaut er sie mit einem Blick (Mk 10,21), kennt ihre Gedanken (Mt 9,4), trifft sie mit einem Wort ins Herz (Lk 9,44; 21,14) und am wichtigsten: Er befreit sie von der Sünde (Mk 2,5; Mt 9,2). Dieser letzte Vollmachtsanspruch über den Menschen wurde von den Schriftgelehrten durchaus richtig erkannt: "Wer kann Sünden vergeben als Gott allein?" (Mk 2,7) Woher hatte aber Jesus diese unvergleichliche Macht und Autorität über die Menschen, auch mit seinem einfordernden Worten: "Folge mir nach!" (Mt 4,19; 9,9; 19,21) Mit dieser Frage berühren wir schon direkt das Geheimnis Christi. Wir kennen aus der Weltgeschichte keine religiöse Gestalt, die in der Stellung zu Gott einen solchen klaren Unterschied zwischen sich selbst und den anderen Menschen gemacht hätte. Petrus, dessen Amt in der Kirche fortlebt, erkannte als einer der ersten Jesus als den "Sohn Gottes" (Mt 16,16). Das einzigartige Selbstbewußtsein Jesu Christi dürfen wir aus Mt 11,27 heraushören: "Alles ist mir von meinem Vater übergeben; und niemand kennt den Sohn als der Vater; und auch den Vater kennt niemand als der Sohn, und wem es der Sohn offenbaren will". So steht Jesus mit seinem Vater in einer Einheit, die das Denken und Handeln, aber auch das innerste Leben umfaßt.

Welches Evangelium könnte besser die Gottheit Jesu bezeugen als der heutige Beginn des Johannesevangeliums. "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott (Vater), und das Wort war Gott." Die himmlische Existenz des Gottessohnes vor aller Schöpfung in der Herrlichkeit des Vaters zeigt uns deutlich: Das Wirken Christi begann nicht erst mit seiner wunderbaren Geburt aus Maria, der immerwährenden Jungfrau. Er war bereits der wasserspendende Wunderfels, der mit den Israeliten in der Wüste mitwanderte, er sprach durch die Propheten (vgl. 1 Petr 1,11) usw. Das strahlende Bild des Allherrschers leuchtet uns nun im Glauben auf. Dieses ewige Wort Gottes vereinigte sich für immer mit einem (zeitlichen) menschlichen Sein, mit einer menschlichen Natur. Das Gespräch Gottes mit der Menschheit wurde so vollendet durch die Verbindung von Gottheit und Menschheit in einer göttlichen Person. So wurde an einem Punkt der menschlichen Geschichte Gott selbst mit seiner Ewigkeit anwesend, damit die Welt an diesem Gott-Menschen ihr Heil sichtbar erkenne.

Die Wirklichkeit hinter den Worten "Das wahre Licht kam in die Welt", das Herabsteigen der zweiten göttlichen Person ist unendlich größer als wir denken können. Aber eine Auswirkung der Menschwerdung ist es ja, daß wir von Jesus Christus auch menschlich sprechen dürfen. - Die großen Theologen der alten Zeit betonten immer wieder, daß Gott mit dem Glaubensgeheimnis der Vereinigung der göttlichen und menschlichen Natur in einer göttlichen Person, unvermischt und ungetrennt in Jesus Christus, also mit seiner Menschwerdung in Maria, ohne Preisgabe seines Gottseins, daß Gott mit all diesen von ihm geoffenbarten Glaubenswahrheiten, die wir zu unserem Heile notwendig glauben müssen, nicht nur ein neues, höchstes Wunder vor der Welt aufrichten wollte, sondern sie wußten vielmehr, daß wir ohne den menschgewordenen Sohn nicht hätten erlöst werden können; denn die Gottheit allein hätte nicht unser menschliches Elend aufnehmen können; ein Mensch allein wiederum hätte uns niemals aus diesem Elend befreien können. Also kam der Gottmensch, und wer die Gottheit Jesu leugnet, entscheidet sich für den wahnsinnigen Weg der Selbsterlösung. Wer aber die Menschheit Christi leugnet, zerstört unseren Glauben an die wirklich geschehene Erlösung. Es ist eben in keinem anderen Heil als im Gottmenschen. Nur wer als Mensch mit Gott, dem Vater, ganz eins ist, kann uns als Mensch auch zum Vater führen. "Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater gesehen, voll Gnade und Wahrheit. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden." Wir wissen also wieder gut, woher unsere Festfreude rühren darf: Der wahre und ewige Gottessohn hat Fleisch angenommen und wurde und ist unser wahrer und einziger Erlöser.

Alle Zeiten aber brauchen die wahre Erlösung und den wahren Erlöser hochnötig. Alle Zeiten sind Zeiten Gottes: Er ist der Herr der Zeiten; zuweilen nimmt Er die Völker in scharfe Zucht, um sie einfacher, reiner, frömmer, demütiger und vertrauender zu machen. Die Vollendung des Reiches Gottes kommt aber erst mit der Wiederkunft Jesu Christi; die Folgen der Erbsünde sind für jeden klar sichtbar in der Welt, ja in unserer eigenen kleinen persönlichen Welt. Die Erlösung ist geschehen, aber sie bricht nicht ohne uns bei uns ein. Christus ist durch sein erstes Kommen zum Mittelpunkt des Heilsweges der Menschheit geworden, und in seinem "Wiederkommen" ist Jesus zugleich als das Ende geoffenbart worden. Durch die Festlegung dieser zwei Punkte, der bereits geschehenen Ankunft Christi durch Maria und der zweiten Ankunft Christi, wird der Weltlauf endgültig zu einer Geraden, die niemals mehr kreisförmig in sich zurücklaufen kann. Weil Menschwerdung und Wiederkunft absolut einmalig und unwiederholbar sind, duldet auch das Welt- und Heilsgeschehen keine Wiederholung, das gilt auch für unser Leben. Nur dieses eine kurze Leben entscheidet über die Endgültigkeit der Ewigkeit, es gibt keine Wiederholung. Zum Heil unserer Seelen müssen wir daher Jesus Christus aufnehmen, wir sind nämlich sein Eigentum. "Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade." Lassen wir uns also durch eine ehrfürchtige Teilnahme am eucharistischen Opfer und durch eine würdige hl. Kommunion angleichen an das gottmenschliche Leben Christi. Weihnachten ist wirklich ein wunderbarer Tausch: Der ewige Sohn Gottes nimmt Menschsein an, und wir dürfen dadurch teilhaben an seiner Gottheit. Deshalb heißt es im heutigen Tagesgebet: "Laß uns teilhaben an der Gottheit deines Sohnes, der unsere Menschennatur angenommen hat." Es geht also um diese konkrete Lebensgemeinschaft mit Christus in Seiner Kirche im Hl. Geist, dann werden auch wir die Gnade für ein treues Leben nach den göttlichen Geboten immer wieder geschenkt erhalten, dann wird sich auch an uns zeigen, daß wir aus Gott geboren sind. AMEN.


Du verstehst etwas nicht, Du hast eine konkrete Frage oder Kritik? Dann nichts wie auf, direkt zum Padre, am besten gleich per eMail oder mittels Formular.

Zu allen Predigten / Zur internationalen Startseite / Zur deutschen Startseite
(Padre Alex)